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Fünf Spiele in der Rückrunde und nur zwei erzielte Tore, zuletzt vier Niederlagen in Folge, seit 292 Minuten ohne Torerfolg. Es ist eine Bilanz, die rein von den Zahlen her ziemlich bescheiden daherkommt und den Eindruck einer grösseren sportlichen Krise unterstreicht. Man könnte es auch als eine der häufig eintretenden Schwächephasen der Espen in der zweiten Saisonhälfte abtun. Eine Frage des SRF, die auf eben so eine Krise anspielte, beantwortete Trainer Peter Zeidler wenige Minuten nach der 0:1-Pleite in Basel genervt.
"Jedes Spiel hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Sie haben doch auch, wenn sie aufgepasst haben, das Spiel gegen Lugano noch im Kopf. Dann war Servette sehr stark. Letzte Woche müssen wir schon unentschieden spielen und heute müssen wir gewinnen. Aber es ist ihr Job. 1 und 1 und 1 und 1 sind 4 - da haben sie recht."
Peter Zeidler, SRF, 11. Februar 2024
Die Frage ist, ob die Rechnung in St.Gallen wirklich so einfach ist und 1+1+1+1 = 4 und somit gleich Krise ist, das versuchen wir zu beantworten.
Ein Blick in die Statistiken geben Trainer Peter Zeidler recht. Gegen den FC Lugano waren die Espen unterlegen und das deutlich. Nach der viel diskutierten Roten Karte nach fünf Minuten gegen Lukas Görtler bestritten die Espen auch praktisch das ganze Spiel in numerischer Unterzahl. Mit dem Servette FC wartete danach die formstärkste Mannschaft des zweiten Saisondrittels. Mit einem frühen Eigentor machten sich die Espen auch in jenem Spiel die Aufgabe nicht einfacher. In beiden Partien waren die Gegner stärker, was auch die Expected Goals der Spiele bestätigen. Gegen Lugano unterlag St.Gallen statistisch mit 1.1 zu 2.69, gegen den Servette FC mit 0.93 zu 1.42.
Fortschritte waren zuletzt durchaus zu erkennen. Gegen den FC Luzern weist die Statistik auf eine ausgeglichene Partie hin. Mit 1.48 zu 1.67 Expected Goals hatte der FCSG tatsächlich nur die leicht schlechteren Chancen als die Konkurrenz. Speziell der letzten Grosschance auf den Ausgleich trauern die Ostschweizer nach. Felix Mambimbi verzog aus aussichtsreicher Position in der Nachspielzeit. Drei Punkte hätten es eigentlich im St. Jakob-Park sein müssen. Mit 15:4 sprach die Schussbilanz nach dem Schlusspfiff Bände. 1.56 zu 0.8 Expected Goals verstärken diesen Eindruck zusätzlich. Erneut wollte der Ball einfach nicht rein, selbst als Goalie Lawrence Ati Zigi in der Schlussphase selbst zum Stürmer mutierte. Zumindest die letzten beiden Auftritte der Espen deuteten alles andere als auf eine Krisensituation hin, abgesehen vom Resultat, das unter dem Strich jeweils auf der Anzeigetafel stand.
Wo liegt denn der Hund begraben? Ein Blick auf das Matchblatt der Partie gegen den FC Basel liefert die Antwort. Die vier Mittelfeldspieler in der Startaufstellung gehören eigentlich allesamt nicht zum gewohnten Stammpersonal. Das Verletzungspech hat bei den Ostschweizern in den letzten Tagen Oberhand gewonnen. Rückkehrer Betim Fazliji fehlt schon seit November mit einem Kreuzbandriss. Stürmer Julian von Moos ist zwar auf dem Weg zurück, auch er hat allerdings seit dem 11. November nicht mehr spielen können. Zudem fehlt auch mit Richard van der Venne ein Spieler in der Breite nach einer Knie-OP ebenfalls seit November. So der Stand im FCSG-Lazarett zum Start in die Rückrunde. Die drei Ausfälle dürften im Kader abgefangen werden können. Doch dann folgten neben den negativen Resultaten auch verletzungsbedingt knüppeldicke Wochen.
Gegen Lugano zog sich in der Startphase Willem Geubbels eine Muskelverletzung zu, die eine mehrwöchige Pause nach sich ziehen sollte. Gegen Luzern erwischte es dann Captain Lukas Görtler, der schon in der ersten Saisonhälfte gleich neun Runden verletzt verpasst hatte. Auch bei ihm ist es die Oberschenkelmuskulatur, die nicht mitgemacht hatte. Im Abschlusstraining für das Spiel in Basel folgte der nächste Rückschlag: Jordi Quintilla zog sich eine Bänderzerrung im linken Knie zu, auch er fällt längere Zeit aus. Wenn dann noch mit Abdoulaye Diaby und Christian Witzig zwei Akteure wegen einer Gelbsperre fehlen, macht sich das auf dem Matchblatt bemerkbar. Auf der Bank nahmen gleich fünf Nachwuchsspieler Platz, drei von ihnen hatten noch keinen Profieinsatz absolviert.
Angesichts der personellen Situation war der Auftritt in Basel fast schon unerwartet gut. Dass es mit dem Toreschiessen nicht klappen wollte, ist dann vor allem ärgerlich und auch mit gewissen Automatismen, die nicht eingespielt sind, zu erklären. Dass ein Rückschlag wie ein Gegentor in der besten Phase des Spiels dem Team eine etwas längere Schockstarre verpasst, ist auch wenig erstaunlich. Görtler, Fazliji und Quintilla sind Führungsspieler, die das Team mitziehen sollen. Ihre Absenz wiegt in solchen Situationen noch schwerer.
Im Vergleich zur ersten Veröffentlichung dieses Artikels haben wir den folgenden Teil dieser Analyse angepasst. Ursprünglich nahmen wir den Neo-Sportchef Roger Stilz und seine Scouts in die Verantwortung, die zeitnah bis zum Ablauf der Transferfrist noch für personelle Verstärkung sorgen sollten. Genau das haben die Verantwortlichen beim FCSG umgesetzt.
Im letzten Sommer wurde der Fokus erfolgreich auf Qualität statt Quantität gesetzt und der Kader entsprechend verkleinert. Nur der Tabellenleader aus Bern hatte bislang noch weniger Spieler in seiner Profimannschaft. Die Verletzungen haben den FCSG aber zum Handeln gezwungen, dennoch sind die Espen ihrer Linie treu geblieben und verzichteten auf eine finanziell waghalsige Aktion. Der erst 18-jährige Stürmer Jovan Milosevic verstärkt die Espen für ein halbes Jahr als Leihspieler. Der VfB Stuttgart hatte ihn erst im Sommer vom FK Vojvodina Novi Sad übernommen. Den Ausfall vor allem von erfahrenen Akteuren kompensiert derweil ein Rückkehrer. Victor Ruiz streift sich ab sofort wieder das grün-weisse Trikot über. Er könnte im Mittelfeld der Espen gleich auf mehreren Positionen weiterhelfen.
Dass jetzt Transfers gekommen sind, bedeutet nicht, dass den fitten Kaderspielern nicht vertraut wird. Der Ausfall von gleich zahlreichen Führungsspielern musste entsprechend abgefedert werden, das haben auch die jüngsten Resultate gezeigt. Gleichzeitig kann so den meist jungen Spielern etwas Druck von den Schultern genommen werden. Verstärkt geht es nun darum, die sportliche Negativserie schnellstmöglich zu beenden, um weiter auf Kurs in Richtung Championshiph Group zu bleiben.
Ein Schlüsselspiel wartet bereits am nächsten Samstag gegen den FC Winterthur und somit gegen den aktuellen Siebten. Ob die Mannschaft bis dahin die letzten negativen Resultate ganz aus den Köpfen bekommt, wird sich zeigen. Der Auftritt in Basel darf aber optimistisch stimmen, genauso wie die Rückkehr der zuletzt gesperrten Witzig und Diaby. Und auch transfermässig hat der FCSG mittlerweile Gründe für zusätzlichen Optimismus in der Ostschweiz nachgereicht.
Die erweiterten Statistiken (Expected Goals) in diesem Artikel stammen von der Scoutingplattform wyscout.com.