






























Der FC Aarau startete voller Zuversicht in die Saison - und droht nun das grosse Ziel Aufstieg zu verpassen. Nach der jüngsten Heimniederlage gegen Yverdon ist klar: Beim FCA liegt aktuell einiges im Argen.
Die Enttäuschung auf dem Brügglifeld war am letzten Freitag regelrecht greifbar. Der FC Aarau unterlag zu Hause Konkurrent Yverdon-Sport mit 1:2 und sieht nun seine Chancen auf den Aufstieg weiter dahinschrumpfen. Mittlerweile beträgt der Rückstand auf Lausanne und den dritten Platz - der immerhin noch zur Teilnahme an der Barrage berechtigen würde - satte 9 Punkte. Yverdon und Wil marschieren an der Tabellenspitze indes bereits mit 13 Zählern voran.
Man kommt nicht umhin zu denken, dass der FC Aarau drauf und dran ist, eine einmalige Gelegenheit leichtfertig zu verspielen. Aufgrund der Aufstockung der Super League steigen in dieser Saison bekanntlich zwei Teams direkt auf, während das drittplatzierte die Barrage gegen den Letzten der Super League austrägt. Nachdem der FCA in den letzten Jahren mehrmals auf hochdramatische Art und Weise gescheitert war, schien nun dank des neuen Modus endlich die Zeit reif, in die Elite des Schweizer Fussballs zurückzukehren. Setzen die Rüebliländer aber nicht noch zur grossen Wende an (und stolpert gleichzeitig die Konkurrenz nicht noch reihenweise), droht der Aufstieg auch in dieser Saison nicht zu klappen. FC Aarau - die Unaufsteigbaren?
Die Notbremse zog die sportliche Führung bereits im letzten Herbst, als Trainer Stephan Keller aufgrund des schwachen Saisonstarts entlassen und durch Boris Smiljanic ersetzt wurde. Nach einem soliden Start (ausgenommen einer 6:1-Pleite gegen den FC Wil), zeigt der Trend in der Rückrunde aber wieder in die falsche Richtung. Auf einen harzigen 1:0-Sieg gegen den FC Thun folgte eine Abreibung von Lausanne-Sport und schliesslich die Heimniederlage gegen Yverdon. Das ist schlicht zu wenig, um in dieser ausgeglichenen Liga an der Spitze davonzuziehen.
Doch woran hapert es beim FC Aarau genau? Zwei Gründe stechen ganz besonders heraus:
Nur ein Team der Challenge League kassiert mehr Gegentreffer als der FC Aarau. 40 Stück nach 21 Spieltagen - eine miese Bilanz. Nur die AC Bellinzona musste bisher mehr Gegentore schlucken (41). Zum Vergleich: In der gesamten letzten Saison kassierte man 47 Treffer. Das Problem: Der FCA ist in den Zweikämpfen oft zu inkonsequent und verschuldet durch Eigenfehler vermeidbare Gegentore. Nur gerade 61,6 % aller defensiven Duelle können die Aarauer für sich entscheiden - der drittschlechteste Wert der Liga.
Es fehlt also ganz offensichtlich an der nötigen Überzeugung und Durchsetzungskraft in der Defensive. Das wird durch eine weitere schlechte Statistik untermauert: Aarau gewinnt nur 40,3 % seiner Kopfballduelle - der schlechteste Wert der Challenge League. Die Aarauer Hintermannschaft ist also schlicht zu wenig hart, zu wenig "böse". Dass der FCA die drittwenigste Foulspiele der Liga begangen hat, passt da wie die Faust aufs Auge. Fairness in Ehren - doch wer etwas gewinnen will, muss auch im Stande sein, dreckig zu spielen. Und genau diese Qualität geht Aarau ab.
Der FC Aarau verfügte in der letzten Saison über eine individuell stark besetzte Mannschaft. Im Sommer verliessen aber zahlreiche Schlüsselspieler den Verein, um den nächsten Karriereschritt zu gehen. Zu diesen gewichtigen Abgängen zählen etwa Flügelstürmer Kevin Spadanuda (zu Ajaccio), Freigeist Randy Schneider (zum FC St.Gallen), Alleskönner Donat Rrudhani (zu YB) und Abwehrpatron Leon Bergsma (zu Cambuur). An sich nichts Dramatisches, denn das gehört im Schweizer Fussball nunmal dazu. Spielerverkäufe sind nicht zuletzt als Einnahmequelle für Klubs wie den FCA essenziell. Das Problem: Viele dieser Abgänge wurden nicht adäquat ersetzt.
Nikola Gjorgjev, Varol Tasar und Nuno da Silva, die im Verbund Spadanuda und Rrudhani ersetzen sollten, sind zwar gesetzt (sofern fit), haben aber Mühe, in die Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten. Gemeinsam kommt das Offensiv-Trio auf 15 Scorerpunkte - während Spadanuda und Rrudhani in der letzten Saison gesamthaft 45 Torbeteiligungen registrierten und damit an 67 % (!) aller FCA-Tore direkt beteiligt waren.
Abwehrchef Bergsma wurde auf dem Transfermarkt hingegen überhaupt nicht ersetzt. Abgesehen von der fixen Übernahme von Aleksandar Cvetkovic, stiess kein neuer Innenverteidiger zum FC Aarau. Angesichts der Schlüsselrolle, die Bergsma in der Defensive innehatte, eine fahrlässige Entscheidung.
Verpasst der FCA den Aufstieg, so hat er eine grosse Chance weggeworfen, die so bald nicht mehr kommen dürfte. Aus der Challenge League "auszubrechen" ist enorm schwer, wenn man nicht über mehr finanzielle Mittel verfügt als die Konkurrenz. Das hat der FC Aarau in den letzten Jahren immer wieder am eigenen Leib erfahren. Der Verein und die Stadt lechzen förmlich nach dem Aufstieg - doch die Mannschaft kann den hohen Erwartungen nicht gerecht werden. Ihr fehlt genau jenes Selbstverständnis, das die FCA-Fanbase eigentlich auszeichnet - nämlich, dass man sich selber zu den "Grossen" zählt, dem eigenen Verständnis nach in die Erstklassigkeit gehört. Doch die Realität sieht anders aus. Der FC Aarau ist 2023 ein gewöhnlicher Mittelfeldklub in der Challenge League. So bitter die Erkenntnis auch sein mag.